Für „Not Far From Here“, ihr siebtes Album bei ECM, hatte Julia Hülsmann eine neue Klangfarbe vor Augen – ihr langjähriges Arbeitstrio mit Marc Muellbauer und Heinrich Köbberling wurde um den Saxophonisten Uli Kempendorff erweitert, dem es mit seiner starken Präsenz mirakulös gelingt, sich in die große Lyrik Hülsmanns nahtlos zu integrieren und dabei dem Fluss der feinsinnigen Kompositionen zusätzlich Fahrt zu geben. Sein Spiel ist eine Mischung aus Nonchalance und Eindringlichkeit, die geradezu ideal zu diesem genialen Trio passt – mühelos fügt er sich in diese schon seit 18 Jahren bestehende Gruppe ein, mit seiner Sensibilität, offenen Haltung und direkten und authentischen Art Geschichten zu erzählen.
Ihn kennen alle drei Musiker seit vielen Jahren, haben schon in den unterschiedlichsten Konstellationen mit ihm gespielt. Kempendorffs offener Geist und seine Neugier verbieten jedes Schubladendenken und jede Einordnung, und Jazzthetik bemerkte in Kempendorffs Spiel, dass „sowohl Geschmeidigkeit als auch Ungezwungenheit im Überfluss vorhanden sind“. Diesem unakademisch originellen Freigeist, der sich trotzdem stilsicher im Bandkontext zu verankern weiß, „gelingt das paradox anmutende Kunststück, das angestammte Trio nicht nur zu erweitern, sondern es genau dadurch in seinem Kern nochmals zu schärfen.“ (Tonart 11/2019).
Jedes Mitglied der Formation steuert – wie üblich bei Julia Hülsmann – originale Kompositionen bei. Das macht das im ECM-Jubiläumsjahr 2019 erschienene und von der nationalen und internationalen Presse (Album des Monats im Guardian) durchweg begeistert aufgenommene Album zu einer Werkschau der „beachtlichen Kompositionskunst aller Bandmitglieder, allen voran Hülsmann selbst“ (Tonart). Ergänzt wird das Repertoire durch eine zeitgemäße Interpretation von „This Is Not America“, David Bowies 1980er-Jahre-Hitsingle (gemeinsam von Bowie, Pat Metheny und Lyle Mays komponiert), die ursprünglich für John Schlesingers Spionagefilm ‘The Falcon and the Snowman’ geschrieben wurde und in der Version des Hülsmann Quartetts zwischen maximaler Entschleunigung und irrlichternder Intensität mäandert.
„Eine meisterhafte Einspielung: klangästhetisch konturiert und doch von gestalterischer Freiheit, meditativ in sich ruhend und doch hell nach außen leuchtend.“ (Tonart)